DSEE-Forschungsprojekt: Wir sind dabei
Was brauchen Menschen, die sozial benachteiligt sind, um sich ehrenamtlich zu engagieren? Welche Wünsche und Erwartungen haben sie? Diese Fragen will Prof. Dr. Hollstein vom Max Weber Kolleg der Uni Erfurt beantworten. Der Bundesverband der Mütterzentren ist Kooperationspartner und wird dazu Workshops organisieren. Finanziert wird das Projekt von der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt ein Jahr lang mit 70 000 Euro. Die Forschungsergebnisse sollen Politiker*innen helfen, nötige Rahmenbedingungen für alle Beteiligten zu schaffen. Wir erarbeiten dazu ein Hand-out für Mütterzentren und andere Organisationen, die das Glück haben, dass sich Menschen freiwillig bei ihnen engagieren.
Abschlusskonferenz Erasmus Plus in Prag
Eigentlich ist das feine Liechtenstein-Palais in Prag nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Es dient der Regierung zum Repräsentieren und Staatsgästen, wie der englischen Königin, zum Übernachten.
Dass die Mütterzentren ihre Erasmus+ Abschlussveranstaltung hier unter Kronleuchtern abhalten durften, verdanken sie Rut Kolinská, die seit Jahrzehnten politische Ämter innehat und bis Mitte Mai das Prager Mütterzentrum leitete. Während der Konferenz hat sie ihre Nachfolgerin eingeführt.
Ein Rückblick auf die letzten drei Jahre Erasmus+ Projekt zum Thema „Lebenslanges Lernen in Mütterzentren“ zeigte, wie häufig geplant, umgeworfen und improvisiert werden musste. Trotzdem hatten wir Gelegenheit, viel über Waldpädagogik und Streetwork in Slowenien, generationenübergreifende Betreuung in Deutschland und Prävention in Mütterzentren in Tschechien zu lernen. Als wir uns nicht vor Ort treffen konnten, ging es auch digital. Wenn Mütterzentren etwas gut können, dann ist es genau das: Mit dem was da ist, kreativ umgehen und Probleme lösen. Das haben sowohl die Reaktionen auf die Pandemie als auch auf den Ukraine Krieg gezeigt.
Besonders eindrücklich schilderten unsere slowakischen Kolleginnen, wie schnell sie die vielen Flüchtlingen in den Mütterzentren versorgt haben, anstatt auf staatliche Hilfe zu warten. „Als Mütter sehen wir die Zukunft durch die Augen der Kinder und die brauchen Sicherheit und keinen Krieg“, kommentierte Alena Wagnerova, eine tschechische Schriftstellerin, die die Mütterzentrumsbewegung in Deutschland erlebt und Anfang der neunziger Jahre in der Slowakei und in Tschechien bekannt gemacht hat. “Das war nach dem Ende des kommunistischen Regimes. Damals musste sich das ganze Land neu erfinden – das galt auch für uns Frauen und dafür hatten wir in den Mütterzentren den passenden Raum“, sagt Rut Kolinská.
Nach dem Festakt gab es noch viele Gelegenheiten zum Austausch und Pläne schmieden für das nächste Projekt.
Ute Latzel in Barcelona
Wie finanziert ihr euch? Was genau sind Gastgeber*innen? Wer kommt zu euch? Zwei Tage lang hat Ute Latzel Antworten gegeben auf die vielen Fragen, die ihr in Barcelona zu Mütterzentren und Mehrgenerationenhäusern gestellt wurden. Die Stadtverwaltung der katalonischen Hauptstadt hatte Vertreter*innen von interessanten Stadteilprojekten aus Europa eingeladen. „Zu den Präsentationen sind kommunale Angestellte gekommen. Das reichte von der Pädagogischen Leitung des Picasso-Museums bis zu den Angestellten der Stadtteilzentren“, sagt Ute Latzel. Spannend fand sie, vor Ort ein neu errichtetes Stadtteilzentrum zu besichtigen. Die dortigen Leiterinnen hatten während des Baus das Generationenhaus in Stuttgart besucht und waren begeistert. Einige Elemente der Mütterzentren und Mehrgenerationenhäuser finden sich jetzt in den offenen und gemütlichen Räumen in Barcelona.
Geld einwerben – Darum ging es auf dem digitalen Fachtag
Wie kommen wir an Geld für unsere Mütterzentren und Projekte? Das wollten die Teilnehmerinnen im gut besuchten Workshop „Wissen um Fördertöpfe“ erfahren, der auf unserem digitalen Fachtag Anfang Mai stattfand. „Geldakquise ist kein Selbstläufer, sondern Beziehungsarbeit“ erklärte Dorothee Reimann vom Mütterzentrum Leipzig anhand eines Beispiels: „Wir machen Bußgeldmarketing. Dafür tingeln wir einmal im Jahr durch das Leipziger Amtsgericht, stellen unsere Arbeit vor und geben den Richterinnen und Richtern die Informationen, die wichtig sind, damit sie an uns denken, wenn sie Geld zu verteilen haben.“ Es ist schließlich eine win-win-Situation: Mütterzentren arbeiten präventiv, kümmern sich um Familien in schwierigen Lebenslagen und sind Orte, an denen Sozialstunden abgeleistet werden können.
Netzwerkpflege ist auch das A und O beim Einwerben von Firmenspenden vor Ort. „Stellt vor, wie ihr Familien entlastet durch eure tollen Angebote oder bietet ein Catering oder Kinderbetreuung für Firmenfeiern an“, sagte Ute Latzel. Sie betonte auch, dass Firmen, Service-Clubs wie die Lions und private Stifter gern für etwas Konkretes spenden: Spielgeräte, ein Auto oder Lastenrad. Vielleicht auch für den Mitgliedsbeitrag beim Paritätischen , der für kleine Zentren schwer zu leisten ist. Ute Latzels Tipp: „Lasst euch bei der Organisation „Stifter-helfen“ registrieren.
Bei Förderanträgen rät sie: „Ihr solltet nicht nur die FAQs anschauen, sondern auch bei der Servicestelle anrufen und prüfen, ob der Antrag eine Chance hat oder ob ihr ihn passender machen müsst.“ Die Schlagwörter aus der Ausschreibung sollten unbedingt wiederholt werden.
Bei der anschließenden Diskussion gab es noch viele gute Hinweise, die wir nach und nach in unserer Facebook-Gruppe für Mitglieder posten werden.
Interview mit Maria Salinas
Maria Salinas ist Mütterzentrumsfrau, Buchhalterin, Vorsitzende des Integrationsrats Münster und alleinerziehende Mutter. Sie vertritt den Bundesverband der Mütterzentren seit einem Jahr im Deutschen Frauenrat im Ausschuss „Armut. Raus aus der Armut. Teilhabe für Frauen sichern“.
Maria, was hat dich motiviert in den Armuts-Ausschuss zu gehen?
Ich bin seit über zehn Jahren im Mütterzentrum MUM in Münster und habe dort viel Kontakt mit Frauen, die in die Armutsfalle geraten – ganz egal wie gut sie ausgebildet sind. Das kann ja schon passieren, wenn du ein Kind bekommst, am Anfang zu Hause bleibst, die unbezahlte Care-Arbeit übernimmst und dein Mann dich verlässt. Bei Frauen mit Migrationsgeschichte kommt noch hinzu, dass es kaum Sprachkurse mit Kinderbetreuung gibt. Ohne Sprachkenntnisse gibt es keine Arbeit, weniger Zugang zu Information und Teilhabe.
Was macht ihr konkret im Ausschuss?
Wir sind Vertreterinnen verschiedener Frauenorganisationen und haben erst einmal identifiziert, aus welchen Gründen Frauen von Armut betroffen sind, um dann Handlungsempfehlungen an die Bundesregierung zu formulieren. So würde es z.B. helfen, wenn Minijobs in sozialversicherungspflichtige Stellen umgewandelt würden. Wir fordern das Erwerb-und-Sorge-Modell nach dem Gleichstellungsbericht. Frauen und Männer sollten beide existenzsichernden Beschäftigungen nachgehen können und noch Zeit für Hausarbeit und Kinder- oder Altenbetreuung haben.
Du selbst kommst aus Bolivien, spielt das eine Rolle bei deinem politischen Engagement?
Ich setze mich für die Interessen aller benachteiligten Frauen ein, kenne aber besonders gut die Perspektive migrantischer Frauen . Ich bin stolz, dass ich die im Deutschen Frauenrat einbringen darf.
Demokratie besser fördern
Familienministerin Lisa Paus und Innenministerin Nancy Faeser setzen sich für ein Demokratieförderungsgesetz ein. Aber was soll da überhaupt drinstehen? Bei dem Thema hat es ist es sinnvoll, Zivilgesellschaft und Wissenschaftler*innen zu befragen.
Der Bundesverband der Mütterzentren hat in seiner Stellungnahme betont:
- Demokratieförderung darf nicht abhängig von der Haushaltslage sein, sondern muss kontinuierlich stattfinden. Damit Projekte nachhaltig erfolgreich sind, braucht es mehr als nur Anschubfinanzierung.
- Mitbestimmung ist in jeder Lebensphase wichtig. Deshalb muss Demokratieförderung altersunabhängig sein und früh beginnen.
- Möglichkeiten der Beteiligung müssen barrierefrei und verständlich sein, damit sich wirklich alle angesprochen fühlen können.
- Mitbestimmung macht nur dann Sinn, wenn sie auch ermöglicht, Strukturen zu verändern.
Mütterzentren in Prag
Fast 300 Mütter- und Familienzentren gibt es in Tschechien. Das erste wurde vor genau 30 Jahren im ehemaligen Gebäude des YMCA eröffnet. Gründerin und auch Vorsitzende des Netzwerks der tschechischen Mütterzentren ist Rut Kolinská.
„Am Anfang trafen wir uns als Freundinnen, die Freuden und Sorgen teilten und gemeinsam organisierten wir Programme für Eltern und Kinder. Dann haben wir ein Konzept nach deutschem Vorbild erarbeitet, das immer wieder neuen Gegebenheiten angepasst wurde“, sagt Rut Kolinská.
Inzwischen kommen auch viele Väter und ältere Menschen ins Mütterzentrum. Angeboten wird neben der Kinderbetreuung professionelle Beratung. Professionelle soziale Dienstleistungen müssen tschechische Mütterzentren anbieten, damit sie vom Ministerium für Arbeit und Soziales finanziell unterstützt werden. „Ich sehe unsere Arbeit vor allem als präventiv an“, fügt Rut Kolinská hinzu. „Dabei darf die gegenseitige Hilfe nicht unterschätzt werden, die geleistet wird, wenn Menschen sich an einem schönen öffentlichen Ort treffen, sich darüber austauschen, welche Bedingungen das Leben von Familien verbessern würden und dies in die Politik tragen.“
Ein besonders schönes Mütterzentrum liegt auf der Prager Halbinsel Kampa, mitten in einem Park an der Karlsbrücke. Zu dem kleinen Haus gehört ein Garten mit Kräuterbeeten, Sandkasten, Holzbänken und Tischen unter alten Bäumen. Das Zentrum wird von den Familien aus der Umgebung genutzt und gepflegt. Zwölf Kinder besuchen den Kindergarten. Geringfügig beschäftigt sind dort sieben Frauen.
Innovationspreis Vereinbarkeit
Kennt ihr ein Unternehmen, dass während der Pandemie besonders familienfreundliche Bedingungen eingeführt hat? Und diese auch beibehält? Dann könnt ihr dieses bis zum 24. Juni für den Innovationspreis Vereinbarkeit vorschlagen. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend prämiert kleine, mittlere und große Unternehmen. Und es wirbt mit einem Logo, auf dem der Papa einen Blaumann und keinen Anzug trägt. Das finden wir mal innovativ.
Innovationspreis | Erfolgsfaktor Familie - BMFSFJ (erfolgsfaktor-familie.de)